Der BER ist endlich in Betrieb und er funktioniert. Doch die Flughafengesellschaft (FBB) ist durch die jahrelangen Verzögerungen und Mehrkosten am Bau hoch verschuldet. Hinzu kommt, dass der Flughafen pandemie-bedingt nur gering ausgelastet ist. Er generiert durch das niedrige Passagier- und Flugaufkommen also kaum Einahmen und dafür weitere Verluste. Die FBB braucht daher dringend Geld, um den Betrieb am laufen zu halten. Und sie braucht einen Plan, wie sie von ihrem immensen Schuldenberg von rund 7 Milliarden Euro runterkommt, um irgendwann auf eigenen Beinen zu stehen. Doch wie kann das gelingen, ohne dass das Unterfangen für die öffentliche Hand und die Steuerzahler*innen ein “Fass ohne Boden” wird?
Mit dieser Frage haben wir uns bei unserer letzten Online-Diskussion am Dienstag, den 18. Mai 2021 beschäftigt. Eine kleine, aber sehr aufmerksame und interessierte Runde von rund zehn Teilnehmer*innen sahen zunächst die Einführung von Harald Moritz und Sebastian Serowy, unserem Fachreferenten im 2. Parlamentarischen Untersuchungssausschuss BER. Insgesamt übrigens der vierte Untersuchungsausschuss, der sich mit dem Flughafen und seinen Grundstücken auseinandergesetzt hat.
Harald und Sebastian gaben zunächst einen Überblick über die verschiedenen Geschäftsführer seit der Nicht-Eröffnung 2012 und ihre mehr oder weniger erfolgreichen Strategien, den Flughafen ans Netz zu bringen. Zugleich ein Einblick in all die Fehler, die beim Bau, der Planung und der Sanierung des BER gemacht wurden. So zum Beispiel eine “gleitende Planung”, bei der während der laufenden Bauarbeiten Pläne immer wieder geändert wurden, bis niemand mehr einen Durchblick hatte. Außerdem mangelnde Kontrolle während und bei der Abnahme der Bauarbeiten, sowie undurchsichtige Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen. Wurden die Baukosten am Anfang auf rund 2 Milliarden Euro geschätzt, beliefen sie sich schließlich am Ende auf rund 7 Milliarden Euro. Dieser Schuldenberg lastet heute auf der FBB, die zu jeweils einem Drittel den Gesellschaftern, also der Bundesrepublik und den Ländern Berlin und Brandenburg gehört.
Nun ist der Flughafen seit November in Betrieb, doch generiert er Verluste statt Einnahmen, da die Auslastung pandemie-bedingt sehr gering ist und es wahrscheinlich noch lange dauert, bis sich dieser Markt wieder erholt. Die FBB hat daher für 2020 rund 300 Millionen Euro und für 2021 rund 500 Millionen Euro Liquiditätshilfen aufgrund der Corona-Krise beantragt, um den Betrieb am laufen zu halten. Um von ihrem Schuldenberg runterzukommen und die laufenden Kredite bezahlen zu können, bittet sie außerdem um einen Teilerlass in Höhe von 1,1 Milliarden Euro ihrer Schulden. Ihr Plan ist, ab 2026 dann auf eigenen Füßen stehen und wirtschaften zu können. Doch geht dieser Plan auf? Und wenn ja, unter welchen Bedingungen?
Die bündnisgrüne Fraktion im Abgeordnetenhaus sieht diesen Plan sehr kritisch und knüpft an ihre Zustimmung ein Bündel von Bedingungen. Essentiell wäre zum Beispiel ein unabhängiges Gutachten über die tatsächliche finanzielle Lage der FBB, die uns nach wie vor aufgrund mangelnder Transparenz schleierhaft ist. Hinzu kommt ein umfassendes Sanierungskonzept, damit es wirklich aussichtsreich ist, dass die FBB langfristig eigenständig wirtschaften kann. Außerdem soll ausgeschlossen werden, dass der Flughafen im Anschluss an seine Entschuldung doch noch privatisiert wird. Denn es kann nicht sein, dass die öffentliche Hand für die Schulden aufkommt und private Investor*innen dann die möglichen Gewinne einstreichen. Und schließlich müsste der Flughafenbetrieb auch für sein Umfeld und das Klima erträglicher werden, was eine Ausweitung des Nachtflugverbotes und die Einbettung in ein deutschlandweites, wenn nicht europaweites Luftverkehrskonzept bedeuten würde. Diese Forderungen wurden von den anwesenden Mitgliedern der LAG Wirtschaft der Brandenburger Grünen bekräftigt, die erst kürzlich einen entsprechenden Beschluss gefasst haben.
In der anschließenden Diskussion kamen noch zahlreiche weitere Ideen, Forderungen und Fragen in Spiel. So der Vorschlag, die Flughafengesellschaft solle nach weiteren Einnahmemöglichkeiten suchen, also zum Beispiel Flächen für Solarfelder zu vermieten bzw. zu nutzen, mehr Luftfracht zu akquirieren und überhaupt als Zielgruppe mehr Klasse als Masse zum Ziel machen. Also zum Beispiel mehr Langstreckenflüge und Geschäftsreisende statt Kurzstrecke-Billig-Massenanbieter, die die Klimabilanz verschlechtern und in Berlin zu den negativen Phänomenen eines wenig stadtverträglichen Massentourismus (“overtourism”) beitragen. Dies sieht auch Harald Moritz so, der Berlin als Europas größten Billig-Flughafen sieht. Die FBB solle die Start- und Lande-Entgelte daher an ihre Finanzlage anpassen statt sich am Markt auszurichten.
Außerdem wurde das Wachstum des Luftverkehrsmarktes vor dem Hintergrund der Klimakrise grundsätzlich infrage gestellt. Der Flugbetrieb stehe in einem Zielkonflikt zwischen Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz. Würde das Wachstum im Luftverkehr zugunsten des Klimaschutzes begrenzt und zum Beispiel Inlandsflüge auf die Bahn verlagert werden, könnten Berlin und Brandenburg zumindest auf den Bau weiterer Terminals verzichten und die Emissionen begrenzen. Eine Umstrukturierung in Richtung von mehr Qualität statt Masse im Flugverkehr wurde in diesem Zusammenhang bekräftigt. Ein sogenannter “Hub”, also ein Luftverkehrskreuz mit vielen Umsteigenden, sei am BER unsinnig. Allerdings müssten auch auf Bundesebene einige Regelungen geändert werden, wie zum Beispiel die Kerosin- und Luftverkehrssteuer oder wie bereits erwähnt ein bundesweites Flugverkehrskonzept, welches die Funktion der einzelnen Flughäfen in der Bundesrepublik sinnvoll definiert, statt weiterhin einen wenig hilfreichen Wettbewerb zwischen den einzelnen Luftverkehrs-Standorten.
Einhelliger Konsens war allerdings, dass dringend Klarheit über die Finanzen der FBB gewonnen werden muss und es eines wasserdichten Sanierungskonzeptes bedarf. Sollte einer Teilentschuldung zugestimmt werden, dann muss dies der letzte Akt in diesem jahrzehntelangen Drama bleiben. unabhängig davon, wer in Zukunft die Geschicke der FBB führt.