In der heutigen aktuellen Stunde der Plenarsitzung im Abgeordnetenhaus von Berlin beschäftige uns ein Antrag der FDP-Fraktion: „Finanzieller Sinkflug der FBB –fliegt in Berlin bald nur noch der Pleitegeier?“ Hier finden Sie meinen Redebeitrag zur wirtschaftlichen Lage der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg. Meine Rede ist auch als Video verfügbar.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,
Das Projekt des neuen Berlin Brandenburger Flughafens hat eine fast dreißigjährige Geschichte, mit vielen Auf´s und noch viel mehr Ab´s. Es gab viele wichtige Daten in dieser Zeit. Das aktuellste Datum ist der 28. April 2020.
Flughafenchef Lütke Daldrup und die Chefin der Baugenehmigungsbehörde aus Dahme-Spreewald, Frau Zettwitz, verkünden die Nutzungsfreigabe für das Hauptterminal des BER. Der Eröffnung am 31.Oktober 2020 steht bauordnungsrechtlich nichts mehr im Wege, heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung.
Endlich, Gratulation!
Damit kann der BER nun, fast auf den Tag genau neun Jahre nach der ursprünglich am 30.10.2011 geplanten Eröffnung, an den Start gehen.
Wenige Tage zuvor hat ein Übergeordneter Sachverständiger des TÜV die letzte Anlagegruppe freigegeben. Diese Freigabe verwunderte etliche BER-Beobachter, hieß es doch, es wären noch gut 2000 Mängel zu beseitigen und nach Brandenburger Bauordnung gäbe es nur Freigaben für mängelfreie Objekte. Über diese strenge Bauordnung hatte in den vergangenen Jahren schon so mancher Flughafenchef gehadert.
In der oben genannten Pressemitteilung ist von Mängeln nicht mehr die Rede, sondern von verbliebenen Restarbeiten die angeblich kein Problem mehr sind. Sie sollen bis Ende Juni behoben sein.
Parallel dazu beginnt der Testbetrieb ORAT zur Erprobung der Abläufe am Flughafen, wegen der Coronaeinschränkungen nur in abgespeckter Form. Der Flughafenchef verweist darauf, dass das ORAT-Verfahren rechtlich nicht vorgeschrieben ist und teilweise simuliert bzw. notfalls auch nach Eröffnung durchführen werden kann.
Soweit scheint also endlich alles gut zu sein.
Damit können sich die Anlieger*innen des Flughafen Tegel nun nicht nur über eine zeitweilige Schließung, sondern spätestens ab November über dauerhafte Ruhe vor Fluglärm freuen.
Es sei ihnen von Herzen gegönnt.
Die zweite Meldung zum BER vom 28. April gab aber wenig Grund zur Freude.
Eine Studie zur wirtschaftlichen Lage der Flughafengesellschaft von drei Wirtschaftsexperten belegt eine dramatische wirtschaftliche Lage der FBB. Ihr Analyse basiert auf den öffentlich zugänglichen Geschäftsberichten der FBB und Prognosedaten. Aus der Studie geht hervor, dass die FBB in den Jahren von 2005 bis 2018 kumuliert einen operativen Verlust von 1,6 Mrd. Euro erwirtschaftet hat. Für die Jahre 2019 bis 2023 prognostiziert sie einen weiteren Verlust von ca. 1,5 Mrd. Euro (mit Berücksichtigung von Corona bis zu 1,8 Mrd. Euro).
Also keine guten Aussichten.
Ursprünglich sollte der BER rund 2 Milliarden Euro kosten. 2012 war diese Summe aber schon weit überschritten.
In den folgenden 8 Jahre „Reparatur“ des Terminals sind die Kosten weiter dramatisch gestiegen.
Mittlerweile schlagen weit über 6 Milliarden Euro für den BER zu Buche. Mit dieser Summe könnte man wahrscheinlich zwei Flughäfen bauen.
Da die Finanzierung maßgeblich über Kredite stattfand, befindet sich die FBB nun in einer dramatischen Schieflage. Damit ist die FBB, laut Studie, wirtschaftlich gescheitert. Nur mit weiterer massiver Unterstützung der Gesellschafter kann die Flughafengesellschaft vor der Insolvenz gerettet werden, bringen es die Experten auf den Punkt.
Diese Erkenntnis ist nicht ganz neu. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam Prof. Dr. Thießen von der TU Chemnitz im Jahr 2014 . Prof. Thießen schlussfolgerte damals, dass die FBB ihre Einnahmen um mindestens 50% steigern müsste um das normale Geschäft und laufende Investitionen bewältigen zu können, die Rückzahlung der Kredite wäre nach der damaligen Analyse schon nicht mehr möglich gewesen.
Wenn sie nun sagen der gute Professor hat sich wohl geirrt, die FBB gibt es noch und eröffnet sogar den BER.
Ja, aber inzwischen hat die FBB weitere gut 2 Mrd. Euro bekommen und meldet schon den nächsten Finanzbedarf bei den Gesellschaftern an. Wurde der weitere Finanzbedarf ab 2021 zuerst auf 508 Mio. Euro geschätzt, liegt er inzwischen schon bei 792 Mio. Euro, unabhängig von Corona.
Dazu kommen die außerbilanziellen Geschäfte, im Geschäftsbericht 2018 mit über 660 Mio. Euro ausgewiesen. Davon über die Hälfte für noch zu leistenden Schallschutz. Aus welchem Topf kommt dieses Geld?
Und wie reagiert nun die Geschäftsführung auf diese Vorwürfe?
Das Thießen-Gutachten wurde damals von der Finanzgeschäftsführerin als obskur abgetan.
Lütke Daldrup sagt über die aktuelle Studie in einem rbb-Interview, da wäre man dilettantisch vorgegangen und über die Autoren abfällig, na was deutsche Professoren so alles aufschreiben.
Prof. Dr.-Ing. Lütke Daldrup hat auch was aufgeschrieben, seinen neuen Businessplan, der soll bis 2037 reichen. Die Gültigkeit der Vorgängerpläne waren nur von sehr kurzer Dauer.
Nach diesem Plan, so der Flughafenchef, wird die FBB ab Beginn der 2020er Jahre ein positives Geschäftsergebnis erzielen. Die Terminumschreibung ist typisch Lütke Daldrup.
Das heißt aber auch es wird auch noch weitere Verlustjahre geben. Und das Eigenkapital schrumpft weiter.
Darin sind sich also all die Professoren einig.
Auch die Einnahmeseite soll sich verbessern, so sollen z.B. die Entgelte am BER um 70% erhöht werden.
Richtig so.
Diese Aussage steht allerdings im Widerspruch zu einer Antwort der FBB auf eine schriftliche Anfrage von mir zu den künftigen Entgelten am BER. In der Antwort heißt es: Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:
„Laut Auskunft der FBB sind gegenüber dem Stand der im Jahr 2011 genehmigten Entgeltordnung für den BER keine Änderungen der Höhe der Entgeltsätze vorgesehen; die FBB sieht hierfür keine Notwendigkeit.“.
Ja was denn nun?
Gestatten sie mir noch kurz darauf einzugehen, dass die FBB natürlich auch unter der Coronakrise leidet. Sie bezifferte ihre Ausfälle kurzer Hand auf 300 Mio. Euro, dreiviertel ihres Jahrsumsatzes, und bekommt prompt die Hilfszusage der Eigentümer. Und sie wissen es, der Berliner Anteil von 111 Mio. Euro steht schon im Nachtragshaushalt.
Nebenbei bemerkt: Die BVG, die auch unter der Coronakriese leidet, deutlich mehr Menschen transportiert und zu 100 % Berlin gehört, hat es da nicht so leicht an frisches Geld zu kommen.
Es gibt also einige Widersprüche der wirtschaftlichen Lage der FBB die es dringend aufzuklären gilt.
Das erinnert mich an eine Aussage von Klaus Wowereit im Untersuchungsausschuss BER I, er sagte damals selbstkritisch: Ich hätte an der einen oder anderen Stelle deutlich bösgläubiger sein müssen als ich es war.
Ja genau, ein Mehr an Bösgläubigkeit wünsche ich mir vom Aufsichtsrat und der Gesellschafterversammlung, wenn die FBB dauerhaft Bestand haben soll. Die Gesellschafter sollten die aktuelle Studie ernst nehmen und die Finanzsituation und den tatsächlichen Wert des BER von einer unabhängigen Stelle prüfen lassen.
Bestätigt sich die dramatische Finanzsituation, braucht die FBB einen Sanierungsplan.
Die Ausbaupläne für den Masterplan 2040 müssen sofort gestoppt werden.
Und bevor über weiteres Steuergeld verhandelt wird, erinnere ich an unseren Koalitionsvertrag. Neben der Fertigstellung des BER steht da, dass der weitere Ausbau nur aus eigener Finanzkraft der FBB erfolgen darf, wir siebenstündige Lärmpausen für die Anwohner schaffen wollen, dafür könnten wir erstmal die Nachtruhe von 5 auf 6 Uhr verlängern.
Wenn die FBB weiteres Steuergeld haben will, muss sie auch Zugeständnisse an anderer Stelle machen.
Nach mir wird ja der Finanzsenator sprechen: Deshalb noch einmal zum Abschluss, nehmen sie die Studie ernst und veranlassen sie eine unabhängige Prüfung der wirtschaftlichen Lage der Flughafengesellschaft, gerade im Interesse der Zukunft der FBB.
Vielen Dank.