Am vergangenen Sonntag demonstrierten Anwohner*innen aus Alt-Treptow und bündnisgrüne Aktive für temporäre Spielstraßen in Treptow-Köpenick – mit einer Pop-Up-Spielstraße während des 8. Baumscheibenfestes.
Berlinweit entstehen an Sonn- und Feiertagen temporäre Spielstraßen, wo spielen mit an die Pandemiesituation angepasstem Abstand möglich ist. Bereits im Mai 2020 hat die Bezirksverordnetenversammlung Treptow-Köpenick beschlossen, dass das Bezirksamt engagierte Anwohner*innen bei der Einrichtung temporärer Spielstraßen zügig und unbürokratisch unterstützen soll, erzählten Jacob Zellmer und Catrin Wahlen aus der Bündnisgrünen BVV-Fraktion. Doch bislang zeigt sich das Bezirksamt nur von seiner bürokratischen Seite. Michel Schmitz von der KungerKiezInitiative e.V. beschrieb die mittlerweile drei abgelehnten Anträge der Initiative für die Einrichtung einer temporären Corona-Spielstraße. Zur Begründung führt das Amt verschiedene Gründe vor – unter anderem gäbe es in Alt-Treptow “keinen Bedarf“, weil genug Spielplätze vorhanden seien. Dabei fehlen Alt-Treptow über 3.000 m² öffentlicher Spielplatzfläche! Weiter mussten Kurzfristigkeit und übermäßige Straßennutzung nach §29 Abs. 2 StVO als Ablehnungsgründe herhalten. Was in Bezirken wie Kreuzberg und Neukölln schnell und unbürokratisch möglich ist, wird in Treptow-Köpenick verschleppt. Die Anpassungsfähigkeit des Bezirksamts in Krisenzeiten lässt also arg zu wünschen übrig.
Harald Moritz, MdA, wies die versammelte Öffentlichkeit darauf hin, dass im Abgeordnetenhaus von Berlin mit dem Fußverkehrsteil ein weiterer Baustein für die Verkehrswende zugunsten der nicht-Motorisierten Verkehrsteilnehmer*innen in Arbeit ist. Er hat auch daran erinnert, dass das Baumscheibenfest aus einer sehr ähnlichen Situation heraus überhaupt erst entstanden ist: Das Bezirksamt Treptow-Köpenick hat seinerzeit sehr viele Bedenken gehabt, Anwohner*innen Baumscheiben begrünen zu lassen. Doch nach einer beherzten Begrünungsaktion der Guerilla-Gärtner*innen aus dem Kunger-Kiez am Sitz des Grünflächenamtes konnte das Bezirksamt überzeugt werden, die Begrünung durch Bürger*innen doch zuzulassen. Es ist also keine neue Situation, dass das Bezirksamt Treptow-Köpenick zum Jagen getragen werden muss.
Während der Demo wurden Unterschriften gesammelt, die dem zuständigen Stadtrat Herrn Hölmer übergeben werden. Wer noch seine Unterschrift beisteuern möchte, kann das in der Kiezgalerie, Karl-Kunger-Str 15 und in den Kursräumen der KungerKiezInitiative in der Kiefholzstraße 21 während der Öffnungszeiten tun. Auch im Bürger*innenbüro Harald Moritz liegt bis zum 23.9. eine Liste aus.
Weitere Stimmen zu Spielstraßen:
„Was ist eine Temporäre Spielstraße?
Die Straße als Aufenthalts- und Begegnungsort für Menschen – was jahrhundertelang selbstverständlich war, ist in den letzten Jahrzehnten leider verloren gegangen. Temporäre Spielstraßen sind ein einfaches Instrument, um die Straße gelegentlich wieder anders zu nutzen: mit Ballspielen, Rollschuhen, Straßenkreide etc. oder mit Klappstuhl und Kaffee, um mit Nachbar*innen ins Gespräch zu kommen. Konkret funktioniert das so, dass in der schönen Jahreszeit ein geeignetes Stück (Neben)Straße an einzelnen Tagen für den Autoverkehr gesperrt wird, z. B. einmal pro Woche oder pro Monat. Anlieferungen, Zufahrt für Gehbehinderte etc. sind natürlich weiterhin möglich, dafür sorgen die verantwortlichen Anwohner*innen. Ob der ruhende Verkehr umgeparkt werden muss, wird abhängig von den örtlichen Gegebenheiten entschieden. Da Temporäre Spielstraßen keinen Umbau erfordern, entstehen fast keine Kosten. Temporäre Spielstraßen sind sehr flexibel und jederzeit reversibel – man kann es einfach mal ausprobieren! Temporäre Spielstraßen werden von den Anwohner*innen initiiert und organisiert und fördern die gute Nachbarschaft.“ http://www.spielstrassen.de/
„Kinder brauchen sichere Räume zum Spielen im Freien. Temporäre Spielstraßen können als ein Baustein für die kindgerechte Stadt eingerichtet werden: In Gebieten mit unzureichendem oder unsicherem Spielraumangebot werden Kinder stärker verhäuslicht, spielen weniger im Freien, nehmen die Angebote im Kiez messbar weniger in Anspruch. Gleichwohl hat die Einrichtung von temporären Spielstraßen zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten geführt. Das hat in Berlin die Schaffung neuer temporärer Spielstraßen be- und verhindert. Dabei ist Einrichtung temporärer Spielstraßen kein Hexenwerk: 2017 wurde im Berliner Abgeordnetenhaus ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Das Gutachten zeigt klar, dass Spielstraßen schnell und unbürokratisch eingerichtet werden können. Im Oktober 2018 hat die Bundesregierung diese Einschätzung bestätigt.“ Stefan Gelbhaar, MdB, https://www.stefan-gelbhaar.de/spielstrasse
„Um nach dem Corona-Shutdown die Spielplätze im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zu entlasten, suchte die Verwaltung nach neuen Flächen. So entstanden temporäre Spielstraßen – in sehr kurzer Zeit und mit dem Engagement der Anwohner.“ Beitrag bei Deutschlandfunk Kultur https://www.deutschlandfunkkultur.de/berlin-wie-das-coronavirus-die-einrichtung-von.1001.de.html?dram:article_id=476616 Berlin: Wie das Coronavirus die Einrichtung von Spielstraßen beschleunigt. Von Ernst-Ludwig von Aster