Was gibt´s Neues bei der S-Bahn?
Fast jeder und jede hat sich wohl schon über ausgefallene oder verspätete S-Bahnen aufgeregt. Uns allen ist die S-Bahn-Krise 2009 in unguter Erinnerung. Schlechter S-Bahn-Service ist aber nicht nur im Alltag sehr ärgerlich, sondern verhindert auch, dass mehr Berlinerinnen und Berliner auf Bus und Bahn umsteigen können und so das Klima schützen, für bessere Luft sorgen und mehr Platz auf den Straßen unserer Stadt schaffen.
Bald braucht Berlin 600 neue S-Bahn-Wagen. Die heutigen Züge erreichen nach und nach ein Alter, in dem ständige Reparaturen nicht mehr wirtschaftlich sind. S-Bahnen bestellen und bauen dauert allerdings sehr lange. Deswegen beginnen schon jetzt die Planungen für neue Züge die ab Mitte der 20er Jahre auf Berlins Schienen rollen sollen.
Wem diese neuen Bahnen gehören, wer sie baut, repariert und fährt entscheidet darüber, ob wir in Zukunft mit der S-Bahn immer zuverlässig und pünktlich von A nach B kommen. Es entscheidet aber auch, ob Menschen durch Bau und Wartung in Berlin Arbeit finden oder behalten und wie sie bezahlt werden.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus sucht deshalb nun gemeinsam mit den Koalitionspartnern und der Verkehrssenatorin Regine Günther das beste Organisationsmodell für die künftige Berliner S-Bahn. Unser oberstes Ziel sind dabei zuverlässige, komfortable und pünktliche S-Bahnen für alle Berlinerinnen und Berliner. Dabei gibt es viel zu beachten und viele Entscheidungen zu treffen.
Was stimmt da nicht mit der S-Bahn?
Ein wesentlicher Grund für den mangelnden Service der S-Bahn liegt in der Berliner Abhängigkeit von der Deutschen Bahn AG. Diese war in der Vergangenheit als einzige in der Lage die Produktion der teuren Berliner S-Bahn-Spezialanfertigungen, deren Wartung und Instandhaltung, sowie den Betrieb im größten deutschen S-Bahnnetz aus einer Hand anzubieten. Andere interessierte Wettbewerber warfen allesamt das Handtuch.
Mit ihrer Tochterfirma S-Bahn Berlin GmbH und den Konzernteilen DB Netz und DB Station&Service AG ist die DB AG daher für den gesamten S-Bahn-Verkehr in Berlin verantwortlich. Als die Bahn 2006 ihren Börsengang plante, sollte das Berliner S-Bahnnetz für die Bilanz des Unternehmens möglichst viel Gewinn abwerfen. Kürzungen bei Personal und Wartung hatten anschließend gravierende Störungen im Betrieb zur Folge: Die Berliner S-Bahnkrise nahm ihren Anfang. Sie endete mit defekten Fahrzeugen, Entgleisungen und dem Ausfall eines Großteils der gesamten Flotte.
Aus Mangel an Wettbewerbern konnte und kann das Land Berlin aber wenig Druck auf die Bahn aufbauen, um den Service zu verbessern. Gleichzeitig lässt sich die Deutsche Bahn AG fürstlich bezahlen.
Auch bei der letzten Ausschreibung des rot-schwarzen Senats für den Betrieb der S-Bahnen auf dem Ring ging die Deutsche Bahn 2015 wieder als Gewinner hervor. Nicht zuletzt, weil sie die entsprechenden S-Bahnzüge bereits besaß. Jetzt stehen die Ausschreibungen für die Fahrzeuge der Teilnetze „Nord-Süd“ und „Ost-West“ (Stadtbahn) an. Alte Fehler sollen dabei nicht wiederholt werden.
Wie soll nun alles besser werden?
Die grüne Fraktion möchte den S-Bahn-Verkehr besser organisieren. Wir wollen ein Modell auswählen, welches für einen verlässlichen, pünktlichen, komfortablen und bezahlbaren S-Bahn-Verkehr sorgt. Gemeinsam mit der Verkehrssenatorin Regine Günther stellen wir daher alles auf den Prüfstand und stellen uns viele Fragen:
- Wie erreichen wir, dass sich in Zukunft mehrere Anbieter auf Herstellung, Wartung, Instandhaltung und Betrieb der S-Bahnen bewerben und ein echter Wettbewerb um Qualität entsteht?
- Könnte das Land Berlin die Fahrzeuge selber kaufen, um diese dann neuen Betreibern zur Verfügung zu stellen („Fahrzeugpool-Modell“)?
- Könnte das Land Berlin selbst eine Gesellschaft aufbauen, die die Fahrzeuge besitzt, wartet und instand hält?
- Ist es möglich, dass die Herstellung und Wartung der Fahrzeuge vom Betrieb getrennt wird, sodass die teuren Spezialwagen kein Hinderungsgrund für mögliche neue Betreiber sind („Fahrzeugdienstleister-Modell“)?
- Wie teuer sind die einzelnen Modelle und wie wirken sie sich auf die Berliner Verschuldung aus? Können die seit kurzem erzielten Haushaltsüberschüsse für den Erwerb von S-Bahnen „angespart“ werden?
- Wie sichern wir hohe Fertigungsqualität für die S-Bahn-Fahrzeuge selbst, damit Wartungskosten sinken?
- Wie können wir sicherstellen, dass es nicht zu einem Wettbewerb um die niedrigsten Standards für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den bisherigen S-Bahn-Werkstätten kommt?
- Gibt es neue Probleme, wenn unterschiedliche Unternehmen für Wartung und Instandhaltung sowie den Betrieb verantwortlich sind und sich abstimmen müssen? Wollen wir unterschiedliche S-Bahnbetreiber in Berlin?
Wir werden sicherstellen, dass alle diese Fragen gründlich und ergebnisoffen geklärt werden. Wir unterstützen die Verkehrssenatorin bei einer sogenannten Markterkundung, in der geprüft wird, welche Anbieter sich für welche Organisationsmodelle zu welchen Konditionen interessieren. Wir werden die Berliner S-Bahn verlässlich ins Rollen bringen.
Wussten Sie schon…?
Wussten Sie schon, dass das Berliner S-Bahnnetz eigentlich aus drei Netzen besteht? Die sogenannten Teilnetze „Ring“, „Nord-Süd“ und „Ost-West“ (Stadtbahn) können unabhängig voneinander betrieben werden und verfügen sogar jeweils über eigene Werkstätten. Es ist daher möglich, dass unterschiedliche Unternehmen parallel S-Bahn-Verkehr in Berlin anbieten. Im Regionalverkehr ist dies schon länger der Fall.