Bericht von der Veranstaltung “A100 und kein Ende? Lösungsansätze für ein lebenswertes Alt-Treptow”

Der 16. Bauabschnitt der A100 (bis zur Anschlussstelle Treptower Park)ist im Bau und soll nach derzeitigem Stand 2024 in Betrieb gehen. Bundes-Verkehrsminister Scheuer hält nach wie vor an der Eröffnung des 16. Bauabschnitts bis Treptower Park fest, obwohl der Neubau der Elsenbrücke voraussichtlich erst 2028 fertig sein wird. Das bedeutet, dass die Kreuzung Am Treptower Park/ Elsenstraße weit weniger leistungsfähig sein wird, als zur Planung des Abschnitts angenommen. Und trotz des sich abzeichnenden Verkehrschaos gibt es bislang kein Verkehrskonzept, wie der Abfluss von der Autobahn so reguliert werden könnte, dass Alt-Treptow nicht in einer Blechlawine erstickt. Grüne, Linke, Anwohner*innen und Bürgerinitiativen versuchen seitdem, die Eröffnung zu verzögern oder zumindest den motorisierten Verkehr in diesem Bereich derart zu regulieren, dass es nicht zu einem Chaos kommt. Seit Anfang 2021 ist ausschließlich die Bundesrepublik für Planung und Bau der A100 zuständig, die bundeseigene “Autobahn GmbH”. Welche Lösungen gäbe es also, um Alt-Treptow lebenswert zu halten?

Dieser Frage gingen Harald Moritz, verkehrspolitischer Sprecher von BÜNDNIS’90/DIE GRÜNEN im Abgeordnetenhaus und Catrin Wahlen, Bezirksverordnete von BÜNDNIS’90/DIE GRÜNEN und Kandidatin für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus, in ihrer Online-Veranstaltung am 15. Juni 2021 nach. Zunächst stellte Harald den Teilnehmer*innen das gemeinsam entwickelte Konzept vor, wie Alt-Treptow vom Durchgangsverkehr entlastet werden könnte. Dafür haben sich Catrin und Harald durch die Straßen ihres Kiezes bewegt, Autos gezählt, Unterlagen gesichtet, mit Anwohner*innen und Expert*innen gesprochen und so ihre Ideen entwickelt.

Kern ihres Vorschlages ist, den Durchgangsverkehr mithilfe von zwei so genannten Diagonalsperren aus Alt-Treptow zu halten und auf andere Wege abzuleiten. So sollen zum Beispiel auf der Kreuzung Bouchéstraße/ Kiefholzstraße Poller oder andere Elemente die Durchfahrt sperren. So wird der Schleichverkehr durch die Bouchéstraße, vor allem im Bereich der dortigen Schule, verhindert. Denn dort kommt es schon jetzt immer wieder zu gefährlichen Situationen durch zu viel Verkehr. Hinzu käme eine Sperrung der Heidelberger Straße in Höhe des Schmollerplatzes, um den dortigen Durchgangsverkehr zu reduzieren. So könnten die jetzigen Buslinien ungehindert den Kiez durchqueren. Der Autoverkehr verbleibt auf den Hauptstraßen, aber in den Nebenstraßen käme es zu einer Beruhigung. Hier könnte dann auch die Aufenthaltsqualität durch Umgestaltung der Straßen steigen. Weitere verkehrsberuhigende Maßnahmen, wie durchgängig Tempo 30, Einbahnstraßen oder eine Parkraumbewirtschaftung mit Reduzierung der Parkplätze könnten außerdem zu einer Verbesserung der Situation vor Ort beitragen. Harald und Catrin betonten, dass ihr Konzept zunächst nur ein Vorschlag, bzw. eine Sammlung von Ideen sei, die sie mit der Öffentlichkeit diskutieren wollen, um weitere Details der Umsetzung zu klären und zu erörtern, was machbar und möglich wäre. Außerdem wollen Sie noch stärker auf andere Initiativen (Kiezblocks etc.) zugehen, um einen breiten Konsens zu finden.

Unter den Teilnehmer*innen fand das Konzept breiten Zuspruch. Dass etwas getan werden müsse, sei Konsens. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, das bislang von Seiten der Bundesregierung, des Bezirksamtes, aber auch der Senatsverwaltung keine oder wenig sinnvolle Vorschläge zur Entschärfung des Problems gekommen seien. 

In der Diskussion wurde unter anderem gefragt, welche weiteren größeren Baumaßnahmen im Kiez bis 2024 anstünden. Dies seien unter anderem die Unterführung der Bundesautobahn unter der Bahntrasse im Bereich Kiefholzstraße und vor allem der Neubau der Elsenbrücke, so Harald. Eine weitere Frage betraf mögliche Sperren für den Durchgangsverkehr auf der Wildenbruchstraße und der Lomühlenbrücke. Diese sehen Harald und Catrin allerdings eher skeptisch, da an beiden Stellen der Busverkehr passieren müsse. Eine so genannte Pförtnerampel im Bereich der Ausfahrt von der Autobahn, die den Abfluss von der Autobahn drossele, sei allerdings hilfreich, solange der Rückstau auf der Autobahn bleibe und nicht den Bus- und Radverkehr auf der Kreuzung beeinträchtige.

Im Anschluss ging es dann eher um den größeren Kontext der Verkehrspolitik. Kritisiert wurde von vielen, wie es in Zeiten der nahenden Klimakatastrophe möglich sein könnte, eine Autobahntrasse durch die Stadt zu schlagen und sowohl die geänderten Rahmenbedingungen als auch inzwischen gefasste Beschlüsse zum Klimaschutz und Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen zu ignorieren. Auch bereits beschlossene Vorhaben müssten unter “Klimavorbehalt” neu bewertet und gegebenenfalls gestoppt werden. Harald gab zu bedenken, dass sich das Land Berlin bislang nicht offiziell gegen den Autobahnbau ausgesprochen habe, weil die SPD sich nicht eindeutig zur Ablehnung der Autobahnverlängerung ausgesprochen hat. Dadurch sei es auch nur zu dem Kompromiss im jetzigen Koalitionsvertrag gekommen, zwar den 16. Bauabschnitt weiter zu bauen, aber nichts weiter vorzubereiten oder zu planen. Daher sei auch fraglich, ob das Projekt auf Bundesebene ohne entsprechende Mehrheiten tatsächlich gestoppt werden könnte. Allerdings rückten inzwischen sogar die Wirtschaftsverbände von der Forderung eines Weiterbaus der A100 ab. Was nütze dieser auch überhaupt noch, wenn er frühestens 2040 fertig werde, zu einem Zeitpunkt zu dem Berlin bereits klimaneutral sein will.

Catrin ergänzte, dass auch auf Bezirksebene die bisherigen Vorschläge weder ausreichend noch hilfreich gewesen seien, weshalb es an den entsprechenden Parteien, Anwohner*innen und Initiativen läge, ihre Kenntnisse und Vorschläge vor Ort weiterhin einzubringen, wie zum Beispiel Spielstraßen, Kiezblocks und andere verkehrsberuhigende Maßnahmen.

So rückte die Frage in den Mittelpunkt, welche Möglichkeiten das Land Berlin überhaupt habe, um den Weiterbau der Autobahn zu stoppen, sollte die Bundesregierung nicht einlenken. Laut Harald müsste sich das Land zunächst offiziell gegen einen Weiterbau aussprechen, dann müsse das Land diesen Entschluss gezielt an den Bund adressieren, um ihm klarzumachen, dass ein langwieriger Konflikt drohe. Reiche dies nicht aus, müsste die komplette Palette an Maßnahmen in Anspruch genommen werden, also zum Beispiel eine Klage oder bis ins Detail die Weigerung zu jeglicher Kooperation bei der drohenden Umsetzung. Immerhin, so bestätigten es Aktivisten aus dem Umfeld des A100-stoppen-Bündnisses, sei die Stimmung inzwischen viel besser. Auch aufgrund anderer bundesweiter Initiativen und der politischen Stimmung mehr Klimaschutz umsetzen zu müssen, sei der Optimismus, das Projekt noch stoppen oder ändern zu können, größer als früher.

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