Position zur Ausschreibung des Berliner S-Bahnverkehrs

Ziel

Bündnis 90 / Die Grünen arbeiten auf allen politischen Ebenen an einer nachhaltigen Verkehrspolitik. Um der Bedrohung der Menschheit durch die Klimakrise zu begegnen muss der Verkehr erhebliche Anstrengungen zur Reduzierung des CO2-Ausstosses in seinem Bereich erreichen. Wir brauchen die Verkehrswende und Städte sollten dabei mit gutem Vorbild voran gehen.

In Berlin haben wir deshalb begonnen eine klimafreundliche, ressourcenschonende, ökologische, stadtverträgliche, gesunde, barrierefreie und bezahlbare Mobilität für alle Menschen zu etablieren.

Dabei spielt die Berliner S-Bahn, als wesentlicher Bestandteil des Berliner ÖPNV, eine wichtige Rolle. Wir wollen eine leistungsfähige, qualitativ hochwertige und kundenorientierte S-Bahn.

Wir wollen die bisherige S-Bahnverkehrsleistung schrittweise ausbauen, dazu brauchen wir mehr Fahrzeuge und Personal. Wir wollen die Infrastruktur über das Programm „i2030“ ausbauen und schreiben derzeit die Verkehrsleistung, Fahrzeugbeschaffung und Instandhaltung neu aus.

Mit dieser Ausschreibung ziehen wir auch die Konsequenzen aus der S-Bahnkrise von 2009.

Rechtliche Lage

Dienstleistungsaufträge im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) müssen nach EU-Verordnung 1370/2007 ausgeschrieben werden. Zuständig für die Vergabe der Verkehrsleistungen im SPNV sind die Bundesländer beziehungsweise die Aufgabenträger. In den Ländern Berlin und Brandenburg wurde der Verkehrsverbund Berlin Brandenburg (VBB) mit der Durchführung der Vergaben beauftragt.

In der EU-Verordnung 1370/2007 ist auch die Vertragsdauer für diese Leistungen auf maximal 15 Jahre festgelegt. Artikel 5 der Verordnung zeigt verschiedene Varianten der Auftragsvergabe auf. So gibt es das wettbewerbliche Vergabeverfahren, aber auch verschiedene Varianten der Direktvergabe die an bestimmte Kriterien geknüpft sind, so zum Beispiel die „Inhouse-Vergabe“. Bei der Inhouse-Vergabe muss das zu beauftragende Unternehmen im Eigentum des Auftraggebers stehen bzw von ihm beherrscht werden und die Leistung im Zuständigkeitsbereich der örtlich zuständigen Behörde ausführen. (Beispiel BVG: 100% im Besitz Berlins, betreibt in Berlin den Bus, Straßen- und U-Bahnverkehr)

Darüber hinaus ist hier auch nationales Recht zu berücksichtigen. Hier ist §131, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), maßgeblich, welches in der aktuellen Fassung 2016 von rot/schwarz verabschiedet wurde. Die Festlegung des §131 GWB sieht in erster Linie die wettbewerbliche Vergabe von. Die verschiedenen Möglichkeiten der Direktvergabe werden allerdings gegenüber der EU-Verordnung auf die Inhouse-Vergabe und eine Notvergabe beschränkt.

Das Land Berlin besitzt kein eigenes Eisenbahnverkehrsunternehmen, das die Berliner S-Bahn betreiben könnte. Damit scheidet eine Inhouse-Vergabe aus.

Die S-Bahn Berlin GmbH ist ein Tochterunternehmen der DB AG, die zu 100% im Besitz es Bundes ist. Versuche des Landes Berlin die S-Bahn GmbH von der DB AG zu erwerben, um eine EU-weite Ausschreibung der S-Bahnleistungen zu vermeiden, sind gescheitert. Daher muss nach geltendem Recht die S-Bahn-Verkehrsleistung EU-weit ausgeschrieben werden.

Besonderheiten der Berliner S-Bahn

Die Berliner S-Bahn wird auf einer eigenen Infrastruktur (Schienennetz und Stationen) betrieben. Die Infrastruktur ist im Eigentum verschiedener Tochterunternehmen der DB AG. Die Berliner S-Bahnzüge werden mit Gleichstrom betrieben, haben ein eigenes Lichtraumprofil und spezielle Bahnsteighöhen. Die Fahrzeuge sind somit Spezialanfertigungen und können nur im Berliner S-Bahnnetz eingesetzt werden. Die „Lebensdauer“ dieser Fahrzeuge wird mit 30 Jahren angesetzt.

Erste Ausschreibung und die Teilung in drei Teilnetze

Das S-Bahnnetz wurde im Vorfeld der ersten Ausschreibung im Jahr 2012 durch den damaligen SPD/CDU-Senat in drei Teilnetze aufgeteilt: Ring-Südost, Stadtbahn und Nord-Süd. Dieser Aufteilung ging ein Gutachten voraus, welches prüfte, ob im Berliner S-Bahnnetz die Pflicht zur Losbildung bestehe oder aber ob dem zwingende technische oder wirtschaftliche Gründe entgegen stünden. Letzteres wurde verneint und das Netz in der Folge in drei Teile mit einer Leistung von 9-14 Mio. Zugkilometern im Jahr aufgeteilt. Die Gesamtleistung im Berliner S-Bahnnetz beträgt zur Zeit ca. 35 Mio. Zugkilometer. Mit der geplanten Taktverdichtung und Ergänzung des S-Bahnnetzes sollen weitere 9 Mio. Zugkilometer bestellt werden, diese Leistung entspricht dann gut 10% der gesamten Regional- und S-Bahnleistung der DB AG in ganz Deutschland.

Im Vergabeverfahren für das Teilnetz Ring-Südost wurde anfangs versucht, einerseits die Fahrzeugbeschaffung und Instandhaltung und andererseits den Betrieb getrennt auszuschreiben. Durch Einspruch des DB-Konzerns, drohenden langwierigen Gerichtsverfahren und bestehendem Zeitdruck wurde das Verfahren quasi neu begonnen und als integriertes Vergabeverfahren (Fahrzeugbeschaffung, Instandhaltung und Betrieb in einem) weiter geführt. Letztlich blieb dadurch als einzige Bewerberin nur noch die S-Bahn GmbH übrig, der die Beschaffung der Fahrzeuge und der Betrieb des Ringnetzes für 15 Jahre (bis 2035) übertragen wurde.

Aktuelle Ausschreibung

Im Jahr 2017 wurde mit der Vorbereitung der Ausschreibung für die beiden Teilnetze Nord-Süd und Stadtbahn begonnen. Dabei sollte mit der Ausschreibung der für diese Teilnetze notwendigen Neufahrzeuge (bis zu 1300 Wagen) und der Instandhaltung begonnen werden. Mit diesen Fahrzeugen soll ein landeseigener Fahrzeugpool entstehen, der von einem Instandhalter unter Einbeziehung des Herstellers für 30 Jahre (Lebenszyklusmodell) gewartet wird.

Durch die Finanzierung der Fahrzeuge über das Land Berlin entstehen Kostenvorteile, durch günstige Zinssätze und dem Wegfall von sonst übliche Finanzierungsaufschlägen durch die EVUs.

Hintergrund: Der Zeitaufwand bis zur Bereitstellung der Vorserienfahrzeuge 2025/26 betrug ca. 8 Jahre (1 Jahr Vorinformation, 2 Jahre Ausschreibung und Vergabe und circa 5 Jahre für die Fahrzeugentwicklung und Zulassung). Im Gegensatz dazu ist die Vergabe der Betriebsleistung nicht so zeitaufwendig und hätte später beginnen können.

Das Vorgehen, den Fahrzeugpool bereits 2017 auszuschreiben fand in der Koalition aus SPD, Linken und Bündnis 90 / Die Grünen keine Mehrheit. In der Folge wurden verschiedene Kombinationsmodelle untersucht, bis man sich Ende des Sommers 2018 auf das jetzt bestehende Modell verständigte. Im November wurde die EU-weite Vorabinformation veröffentlicht, mit dem Ziel, die eigentliche Ausschreibung im November 2019 zu starten.

Die weitere Abstimmung über die Vergabemodalitäten erfolgte im sogenannten Lenkungskreis S-Bahn. Dieser bestand aus Vertreter*innen der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, der Senatsverwaltung für Finanzen, der Senatskanzlei und einem Vertreter der Linken von Berliner Seite, sowie der damaligen brandenburgischen Verkehrsministerin. Auf die Parteienlandschaft übertragen waren drei Mitglieder der SPD, eines der Linken und eines von Bündnis 90 / die Grünen vertreten.

Der Lenkungskreis einigte sich im August 2019 auf bestimmte Ausschreibungsmodalitäten. Dieser Kompromiss wurde im September von der Berliner SPD-Fraktion hinterfragt, was zu weiteren Verzögerungen führte, am Ergebnis des Senatsbeschlusses vom November aber nichts änderte.

Allerdings gab es inzwischen in Brandenburg eine neue Regierungszusammensetzung und somit musste der Kompromiss wiederum erneut mit Brandenburg abgestimmt werden, was erst im April 2020 zu einem Ergebnis führte.

Wenn keine weiteren Verzögerungen eintreten, kann das Ausschreibungsverfahren im Juni 2020 mit achtmonatiger Verspätung starten. Diese Verspätung hat zur Folge, dass das Teilnetz Stadtbahn statt 2026 erst 2028 starten kann, dafür wird aber das Nord-Südnetz von Anfang 2030 auf Ende 2027 vorgezogen. Insgesamt müssen die Fahrzeuge nun also ein Jahr später als ursprünglich geplant geliefert werden.

Ausschreibungsmodell

Worauf haben sich die Entscheidungsträger verständigt?

Wesentliches Ziel der Länder ist es bei der größten Ausschreibung der Berliner S-Bahn gute und verlässliche Qualität beim S-Bahnverkehr zu angemessenen Preisen zu bekommen. Dafür setzen wir ein effektives Wettbewerbsverfahren auf.

  • Die Leistungen werden in vier Lose aufgeteilt: 1. Fahrzeugbeschaffung und Instandhaltung und 2. Betrieb, jeweils für die Netze Stadtbahn beziehungsweise Nord-Süd. Es kann auf einzelne Lose, Kombinationen oder alles geboten werden. Damit entfällt eine Loslimitierung, wie schon in der Vorinformation 2018.
  • Die Fahrzeuge werden vom Land Berlin erworben, dazu ist noch eine Landesanstalt Schienenfahrzeuge Berlin AöR zu gründen, und an den Instandhalter zu übergeben.
  • Die Vertragslaufzeit für den S-Bahn-Betrieb beträgt 15 Jahre, für die Instandhaltung gemäß Lebenszyklus der Fahrzeuge 30 Jahre.
  • Die Fahrzeuganforderungen werden so fortgeschrieben, dass sie auch durch eine Weiterentwicklung der Neufahrzeuge für das Ringnetz erfüllbar sind.
  • Für den Fall eines Betreiberwechsels bei der Verkehrsleistung erfolgt die Anordnung einer Verpflichtung zur Personalübernahme nach den Vorgaben des §131 Abs. 3 GWB.
  • Beim Wechsel des Instandhaltens soll ebenfalls eine Arbeitsplatzsicherung für das Werkstattpersonal gelten. Erfolgt eine Rüge wegen der Verpflichtung zur Personalübernahme im Teilnahmewettbewerb, wird dem beschäftigten Werkstattpersonal statt dessen in einer landeseigenen Beschäftigungsgesellschaft ein Übernahmeangebot gemacht. Der Instandhalter wird dann zur Bildung eines Gemeinschaftsbetriebes mit der landeseigenen Beschäftigungsgesellschaft verpflichtet und damit zur Übernahme des Personals.
  • Die Verkehrsunternehmen und Instandhalter müssen die Beschäftigten mindestens nach den geltenden Rahmen- oder Branchentarifverträgen für das Zugpersonal und die sonstigen Beschäftigten im SPNV die zwischen den Arbeitgebern und den Gewerkschaften GDL und EVG ausgehandelt wurden, entlohnen.
  • Es gilt eine verpflichtende Ausbildungsquote von 5%.
  • Auf die Vorgabe einer verpflichtenden Errichtung einer neuen Werkstatt wird verzichtet.
  • Die Länder bieten potentiellen Bewerbern pro Teilnetz einen zusätzlichen Werkstattstandort an, für deren Errichtung sie die notwendigen Vorleistungen erbringen werden.
  • Die gesamte Instandhaltung muss an Standorten am Netz der Berliner S-Bahn erfolgen.

Einzelthemen

Personal

Die Personalübernahme im Falle des Betreiberwechsels ist nur für das Personal das die Verkehrsleistung erbringt durch §131 Abs. 3 GWB verbindlich geregelt. Das betrifft Triebfahrzeugführer, Zugbegleiter/Kundenbetreuer und Disponenten.

Beim Werkstattpersonal ist dies nicht eindeutig und gerichtsfest geregelt. Hier gibt es unterschiedliche Auslegungen zwischen dem Aufgabenträger und der EVG.

Der Aufgabenträger hat aber auf die Forderung der EVG dahingehend reagiert, dass er beim Wechsel der Instandhaltungsverantwortung für das betroffene

Werkstattpersonal soweit rechtlich möglich eine entsprechende Arbeitsplatzsicherung anstrebt. Rügt ein Bewerber im Teilnahmewettbewerb diese Auflage zur Übernahme des Werkstattpersonals, wird dem nicht weiter beschäftigten Werkstattpersonal ein Übernahmeangebot durch eine landeseigene Beschäftigungsgesellschaft gemacht. Das zukünftige Instandhaltungsunternehmen wird sodann verpflichtet mit der landeseigenen Beschäftigungsgesellschaft ein Gemeinschaftsunternehmen zu bilden und dadurch der bisherige Werkstattpersonal weiter zu beschäftigen. .

Darüber hinaus werden verbindliche Zusagen der Bieter zur Personalgewinnung und zur Personalbindung gewertet.

Bezüglich der auferlegten Tariftreue sind die geltenden Rahmen- bzw. Branchentarifvertrag anzuwenden und fortzuschreiben (BuRa-ZugTV Agv MoVe bzw. BranchenTV SPNV Agv MoVe).

Allgemein kann auch festgestellt werden, dass zur Zeit ein deutlicher Fachkräftemangel herrscht, dass betrifft sowohl das Zug- als auch das Werkstattpersonal. Lohndumping wird daher nicht funktionieren.

Private EVUs mussten in jüngster Vergangenheit Verkehrsverträge zurückgeben, weil sie kein Personal finden konnten und / oder entsprechende Übernahmeangebote an Beschäftigte der Vorgänger EVUs nicht zum Erfolgt führten. Die Beschäftigten sitzen also am längeren Hebel und können wählen bei welchem EVU sie arbeiten möchten.

Unverständlich erscheint mir augenblicklich auch der Rückzug der EVG und der DB AG aus den Tarifverhandlungen über den „Tarifvertrag zum Personalübergang bei Wechsel des Betreibers einer Schienenpersonennahverkehrsleistung“ (TV Personalübergang SPNV GDL) der ja gerade auch über die Regelungen des §131 Abs. 3 GWB hinausgehende Regelungen zugunsten der Arbeitnehmer*innen bei Betreiberwechseln festschreibt.

Auch ist bei einem potentiellen Wechsel des Werkstattpersonals von der S-Bahn GmbH und der gewerkschaftlichen Zuständigkeit des EVG hin zu einem Instandhalter bei dem potentiell die IG Metall zuständig wäre keine Schlechterstellung zu erwarten.

Vorwürfe der Zerschlagung und Privatisierung sind nicht gerechtfertigt

Der Vorwurf, das S-Bahnnetz würde durch die aktuelle Ausschreibung „zerschlagen“ und die ausdrückliche Kritik an der bündnisgrünen Senatorin ist falsch. Das S-Bahnnetz wurde im Vorfeld der ersten Ausschreibung im Jahr 2012 durch den damaligen SPD/CDU-Senat in drei Teilnetze aufgeteilt. In einem vorausgehenden Gutachten wurde geprüft ob auch im Berliner S-Bahnnetz die Pflicht zur Losbildung besteht, oder ob dem zwingende technische oder wirtschaftliche Gründe entgegen stehen. Letzteres wurde verneint und das Netz in der Folge in drei Teile mit einer Leistung von 9-14 Mio. Zugkilometern im Jahr aufgeteilt.

Die Abstimmung zwischen den Teilnetzen erfolgt über den Aufgabenträger indem er den Rahmenfahrplan vorgibt. Schnittstellen zwischen Instandhaltung und Betrieb bestehen schon heute, betriebsintern. Diese müssen künftig vertraglich geregelt werden.

Schnittstellen zwischen dem EVU und der Infrastruktur bestehen heute und künftig unverändert weiter. Schnittstellen zwischen verschiedenen Eisenbahnverkehrsunternehmen bestehen heute z.B. im Regionalverkehr und führen dort auch nicht zur gegenseitigen Blockade.

Privatisierung“

Die S-Bahn Berlin GmbH ist eine Tochter der DB-Regio und gehört zur DB Aktiengesellschaft. Die DB AG gehört zwar zu 100% dem Bund, wird aber als privates, gewinnorientiertes Unternehmen geführt.

Gewinne der S-Bahn Berlin GmbH wie zuletzt 50 Mio. Euro in 2018 werden an DB Regio, beziehungsweise an den Mutterkonzern abgeführt. Auch wenn momentan die Bahnpolitik des Bundes auf mehr Bahnverkehr abzielt und die Bahn wegen der Qualitätsmängel bei der Berliner S-Bahn das Qualitätssicherungsprogramm „S-Bahn PLUS“ durchführt, ist damit nicht dauerhaft die Reinvestition der Gewinne in den Betrieb und die S-Bahn Infrastruktur garantiert.

In der Vergangenheit sind die Gewinnabführungen zur Optimierung des Börsenganges, oder zur Expansion des Konzerns unter anderem in Auslandsunternehmungen geflossen.

Die S-Bahn Berlin GmbH als gemeinwohlorientiertes kommunales Unternehmen einzustufen ist falsch. Sie ist bereits ein gewinnorientiertes Unternehmen, wie andere private EVUs auch. Deshalb ist die S-Bahn sozusagen heute schon privatisiert. Die abgeführten Gewinne entstammen nicht zusätzlichen Unternehmungen der S-Bahn GmbH, sondern sind Fahrgelderlöse oder Zuschüsse aus Steuergeld.

Auch die Annahme, dass die „privaten“ EVUs Einfluss auf die ÖPNV-Tarife nehmen stimmt nur indirekt über deren Ausschreibungsangebote. Bei den speziell im SPNV üblichen Bruttoverträgen sind nach Abschluss der Verkehrsverträge Entwicklung der ÖPNV-Tarife für die EVUs uninteressant. Denn sie erhalten feste Vergütungen für ihre Leistungen, unabhängig von den ÖPNV-Tarifen . Selbst aktuell in der Coronakrise werden die EVUs für durch sie erbrachte Leistungen bezahlt, unabhängig davon wie viele Fahrgäste sie befördern oder welche Einnahmen damit verbunden sind. Dies trifft auch auf die S-Bahnverträge zu. Im Gegensatz dazu hat die landeseigene BVG einen Nettovertrag und ist damit in Abhängigkeit der Fahrgeldeinnahmen.

Gewinnabführung der S-Bahn Berlin GmbH, laut Geschäftsberichten 2016/17/18/19

Jahr20152016201720182019
Summe (Mio. Euro)
66,959

71,203

69,577

49,362

40,812

Gesamte Gewinnabführung der letzten 5 Jahre 297,913 Mio. Euro

Der jährliche Zuschuss des Landes Berlin aus den Regionalisierungsmittel des Bundes an die S- Bahn Berlin GmbH beträgt laut Haushaltsplan des Landes Berlin in Band 07 Kapitel Titel 0730/54081 für das Jahr 2020 269,787 Mio. Euro und für das Jahr 2021 271,409 Mio. Euro.

Die Gewinnabführung der S-Bahn Berlin GmbH an den DB- Konzern der letzten 5 Jahre übersteigt also eine ganze Jahresrate des Zuschusses des Landes Berlin für den S-Bahnbetrieb.

Fazit

Wir bewegen uns bei der Ausschreibung der Beschaffung neuer S-Bahnfahrzeuge und deren Instandsetzung, sowie der Ausschreibung der S-Bahnbetriebsleistung im rechtlich möglichen Rahmen. Im Bereich der sozialen Standards wird die Ausschreibung ebenfalls das rechtlich mögliche ausreizen. Wir haben keine Zeit um auf geänderte rechtliche Regelungen der Bundes oder auf EU-Ebene zu hoffen oder über Bundesratsinitiativen agieren zu können.

Die S-Bahn Berlin GmbH ist eine Profitbringerin. Es ist daher nicht zu erwarten, dass der DB Konzern sich in absehbarer Zeit von ihr trennen, und einem Übergang in Landeshand zustimmen wird.

Von daher können wir uns nur in dem aktuell zur Verfügung stehenden Rahmen bewegen. Wünsche zur Änderung der rechtlichen Situation sollten rechtzeitig nach der aktuellen Ausschreibung angegangen werden. Momentan würden solche Aktivitäten nur die Ausschreibung negativ beeinflussen.

Mit der Entscheidung für einen landeseigenen Fahrzeugpool haben wir schon einen Schritt hin zu mehr eigenem Einfluss auf die Berliner S-Bahn genommen. Ziel ist es, ähnlich wie bei der BVG, Infrastruktur und Betrieb in die eigene Hand zu bekommen. Damit können künftig solche Auseinandersetzungen vermieden und perspektivisch die besten Voraussetzungen für eine funktionstüchtige Berliner S-Bahn geschaffen werden.

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